Nun ist es also offiziell abgesagt, das Verbrenner-Aus, das es so ja nie gegeben hat. Nach einer medialen Populismus-Schlacht und mit politischem Druck über Rechtsaußen hat die EU-Kommission nun einen neuen Vorschlag zur CO2-Flottenreduktion präsentiert und damit die Büchse der Pandora geöffnet. Denn während es für die einen zu viel Lockerung ist, wollen die anderen noch deutlich mehr. Die konservativen Kräfte haben – als Treiber der Veränderung – gehofft, nun den rechtspopulistischen Angriffen entgehen zu können. Das Gegenteil ist der Fall. Und damit wird uns das Thema noch sehr lange, sehr intensiv beschäftigen, die Verunsicherung für Konsumenten und für die Branche wird sich weiter ziehen – zum Schaden aller.
Es geht um die Wirtschaft
Wie wohl wir wissen, dass der Verkehr das Sorgenkind ist und in den nächsten Jahren noch deutlich stärkere Maßnahmen notwendig sein werden, lassen wir das Klima-Thema hier außen vor. Das Hauptproblem in der Diskussion ist der wirtschaftliche Aspekt. So wird die Beibehaltung des Verbrenners als rettende Maßnahme für die deutsche Autoindustrie (und damit die österreichische Zulieferindustrie) genannt und damit den Konsumenten, den Wählern und der Branche eine völlig falsche Entwicklung vorgegaukelt.
Schauen wir auf die Gründe für die Probleme: Mit Corona, dem Platzen der Kurzzulassungsblase und den wirtschaftlichen Herausforderungen ist der europäische Automarkt eingebrochen und hat sich auf einem - 20-Prozent-Level gegenüber der Vor-Corona-Zeit eingependelt. Gleichzeitig verliert die in China bislang so starke deutsche Autoindustrie laufend Marktanteile und Stückzahlen, deren Geschäft bricht dort gewaltig ein. Somit fehlen den deutschen Herstellern massiv Stückzahlen, Umsätze und Erträge. Gleichzeitig rechnen sich die hohen und notwendigen Investitionen für die Elektromobilität noch nicht, auch weil der Hochlauf nicht in dem Maße erfolgt ist, wie das die Industrie kalkuliert hätte. Aus mehreren, auch politischen Gründen.
Die Zukunft ist elektrisch
Wagen wir einen vorsichtigen Blick in die Zukunft und lassen Sie uns dafür nur die vergangenen beiden Jahre hinsichtlich E-Technologie und Ladeinfrastruktur auf die nächsten zehn Jahr hochrechnen. Das ergibt ein ziemlich eindeutiges Bild: Wir werden alle elektrisch fahren. Und die Menschen werden es lieben, sowohl hinsichtlich der Performance als auch bei den Kosten, mit günstigeren Batterien, dynamischen Stromtarifen und dem bidirektionalen Laden. Auf der anderen Seite gibt es eine alte Technologie, die nur mehr wenig Optimierungspotenzial bietet,– egal mit welchem Treibstoff – laufend teurer im Betrieb wird und unverändert Schadstoffe emittiert. Fossiler Treibstoff wird durch CO2-Steuern teurer und E-Fuels, sofern überhaupt in relevanten Mengen produziert, werden noch sehr lange sehr teuer sein und Biokraftstoffe sind zu knapp und je nach Art in Diskussion. Auch Wasserstoff wird aufgrund der Kosten und der Knappheit im Pkw keine Rolle spielen. Dass die Pkw-Zukunft elektrisch ist, bezweifelt übrigens auch kaum jemand in der Industrie.
Branchen-Experten von Prof. Dudenhöffer über Prof. Bratzel bis Prof. Keim sowie zahlreiche Top-Ökonomen sind der Überzeugung, dass eine Verschiebung des sogenannten Verbrenner-Aus der Autoindustrie schadet und nicht nützt. Und es ist nur logisch: Je länger zweigleisig produziert und entwickelt werden muss, desto teurer wird die Transformation und umso schwieriger ist die Weiterentwicklung und Skalierung des „Neuen“.
Dass ein längeres Festhalten am Verbrennungsmotor über 2035 hinaus die deutsche Automobilindustrie retten wird, ist völlig absurd. Auch die Diskussion über den "hocheffizienten Verbrenner" ist ein peinlicher Witz. In 10 Jahren gibt es nur mehr elektrifizierte Modelle, vielleicht noch Plug-In-Hybride, zum größten Teil aber EREV, also Range-Extender-Modelle mit kleinen Benzinmotoren. Deren Performance ist für den Autofahrer nicht wichtig, im Gegensatz zu einem heutigen Antriebsaggregat. Hier sind die Kosten entscheidend und nachdem es noch gar kein Angebot in Europa gibt, ist zu befürchten, dass auch hier die Chinesen das Rennen machen.
Man muss also kein Experte sein, um zu wissen, dass 2035 die Elektro-Kompetenz und nicht mehr die Verbrenner-Kompetenz entscheidend ist. In zehn Jahren wird darüber hinaus autonomes Fahren (bei elektrischem Antrieb) die entscheidende Technologie sein.
Druck auf die Zulieferer
Diese Entwicklungen treffen mindestens genau so stark die Zulieferer, die nicht unwesentlich auch in Österreich angesiedelt sind. Während die Autohersteller immer mehr Entwicklungen und Produktionen nach Fernost verschieben können (und es auch tun), müssen die europäischen Zulieferer hier reüssieren. Eine raschere, wenn auch schmerzhafte Transformation bringt mehr Chancen für einen langfristigen Erfolg als Unsicherheit und Zweigleisgigkeit.
Jetzt kann man den Menschen vorgaukeln, dass mit einer längeren Verwendung des Verbrennungsmotors alle wirtschaftlichen Sorgen beseitigt sind, dass alles so bleibt wie es ist. Das wird noch eine gewisse Zeit funktionieren und die Aktionäre freuen sich noch über ein paar gute Jahre, bevor der Rückstand zu China so groß ist, dass auch die Europäer dort ihre Autos entwickeln lassen und ihre Zulieferteile von dort beziehen.
Die echten Probleme der Industrie
Oder man kümmert sich um die echten Probleme der deutschen und österreichischen Automobilindustrie: um Energiekosten, Produktionskosten, Umschulung und Fachkräfte, man sorgt für eine rasche und effiziente Transformation zur Elektromobilität, um Forschung und Produktion von Batterien, gibt den Menschen und der Branche Planungssicherheit und das Gefühl, Veränderungen und das „Neue“ sind richtig.
Man forciert Forschung und Entwicklung und man unterstützt die Vorreiter, die innovativen Firmen sowie die unzähligen Start-ups, die im Umfeld der Elektromobilität gerade Fuß fassen und komplett neue Arbeitsplätze schaffen. Und die durch eine ängstliche, rückwärtsgewandte und kurzfristige Politik nun wieder ausgebremst werden. Wir sollten zukunftsorientiert sein und langfristig denken. Das wäre auch ein schöne Vorsatz fürs neue Jahr.
In diesem Sinne bedanke ich mich sehr herzlich fürs Lesen unserer Medien und ganz besonders fürs Durchalten bei so langen Texten. Wir freuen uns auf ein spannendes 2026 und werden Sie in bewährter Weise auf dem Laufenden halten.
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