Es ist Freitag, der Oktober neigt sich langsam, aber sicher dem Ende zu. Im beschaulichen Ort Bad Aibling gleich neben Rosenheim geht der Landesverbandstag des Landesinnungsverbandes Bayern Karosserie- und Fahrzeugbau über die Bühne. Die freundliche Einladung dazu erging auch an den A&W Verlag. Diese anzunehmen, versteht sich – auch vor dem Hintergrund, dass bei ähnlichen Veranstaltungen in Österreich die Presse fernbleiben muss. In Bad Aibling ist das anders, da wird munter diskutiert, interne Zahlen werden präsentiert. Im Gegensatz zu Österreich sind Karosserie- und Lackierbetriebe bei unseren Nachbarn zwar Pflichtmitglieder in der Handwerkskammer, aber nicht in der Innung. Hier muss man aktiv beitreten und dafür auch einen Mitgliedsbeitrag entrichten. Die Vertreter der bayerischen Betriebe, die anwesend sind, wollen das auch sein. Betrachtet man die Herausforderungen der Branche, so gibt es durchaus Parallelen zwischen Österreich und Bayern: Die Fahrzeuge werden komplexer, neue Marken und Modelle drängen rasch auf den Markt, die Reparaturfähigkeit kann oft mit diesem Tempo nicht mithalten, und mit den Versicherungen ist es auch nicht immer einfach. Der große Unterschied liegt aber in der Schadensteuerung. Diese ist hierzulande noch ein zartes Pflänzchen, aber dennoch spürt man, dass da etwas auf die Betriebe zukommt. In Deutschland liegt sie laut Schätzungen bei rund 60 Prozent. „Wir sollten noch stärker zusammenrücken. Wir sind im Vergleich zum Händlerverbund eine kleine Gruppe. Weniger perfekt, aber dennoch effektiv“, schwor Landesinnungsmeister Thomas Schneider seine Mitglieder ein. Eine „kaum mehr einfache und korrekte Abrechnung“, beklagte ZKF-Präsident Arndt Hürter die Zusammenarbeit mit einzelnen Unternehmen auf Versicherungsseite.

Der Stellenwert von Karosserie-Netzwerken

Neben verbandsinternen Themen (Jahresabschluss, Entlastung des Vorstands etc.) und Abrechnungsmodalitäten in der Branche (Mietwagen) referierte Tonny van de Wiel von Body Repair Solutions (BRS) Europe zu Karosserie-Netzwerken in Europa. Der Experte hat unter anderem für Tesla, Fisker und Rivian entsprechende Netzwerke in Europa aufgebaut. Er stellte unterschiedliche Modelle vor und kam relativ rasch zum Thema Schadensteuerung, wo europaweit große Unterschiede vorherrschen. In Großbritannien etwa beträgt der Anteil an gesteuerten Schäden in vorab festgelegten Karosserie- und Lackierbetrieben bereits um die 95 Prozent, dort sind Stundensätze von 40 Euro keine Seltenheit. „Investitionen sind dadurch nicht machbar“, so van de Wiel, was auch an der Ausstattung der Kfz-Betriebe auf der Insel rasch ersichtlich wird. „Je stärker der Versicherungseinfluss, desto geringer sind die Stundensätze.“ Für die Zukunft erwartet der Experte eine weitere Zunahme von Karosserie-Netzwerken in allen europäischen Ländern, inklusive einer begleitenden Marktkonsolidierung.

Kaum Schäden an der HV-Batterie

Tagungstag zwei ging dann bei der Firma Fabricar, ebenfalls in Bad Aibling beheimatet, über die Bühne – mit zwei Podiumsdiskussionen und einer Fachausstellung. Das erste Podium widmete sich dem Thema E-Mobilität. „Wir sind bei der Überreizung der E-Mobilität in den Markt eingestiegen“, bemerkte Nio-Deutschland-Chef David Sultzer zu den Neuzulassungszahlen der Marke. Den Stellenwert von Restwerten für E-Fahrzeuge bezeichnete Hen-drik Pötter von der DAT als „enorm wichtig“. 12.000 Schäden an E-Fahrzeugen pro Jahr führte Dr. Christian Sahr vom Allianz Zentrum für Technik (AZT) ins Treffen. Davon würden lediglich 2 Prozent die HV-Batterie betreffen, und hier handelt es sich bei der Hälfte der Fälle um Kratzer am Batteriegehäuse. „Wir sind verpflichtet, das wiederherzustellen“, so Sahr, der auch die Hersteller hinsichtlich Reparaturfähigkeit in die Pflicht nimmt. Ein Schaden an einem E-Auto liege im Schnitt preislich 10 bis 15 Prozent über dem Durchschnitt, das sei auch mit der höheren Ausstattung begründbar, ergänzte Michael Schnapp von der HUK Coburg. „Die E-Mobilität ist für 90 Prozent der Bevölkerung die bessere Technologie“, brach Sahr eine Lanze für E-Autos.
„Aus der Praxis für die Praxis“ lautete der Titel der zweiten Podiumsdiskussion an diesem Tag, an der unter anderem mit Erik Paul Papinski, der frühere österreichische BIM und ehemalige AIRC-Präsident, teilnahm. „Die E-Mobilität ist für freie Werkstätten die größte Chance in der Geschichte“, so Papinski, der hier vor allem auf einen Beratungsansatz setzt. E-Mobilität müsse für den Endkunden verständlich dargelegt werden, das betreffe vorrangig Software-Updates und die Handhabung von Apps.