Es sind gewaltige Herausforderungen, die sich in den vergangenen Jahren im Reifenhandel entwickelt haben. So sind die Kosten (teilweise immens) gestiegen: Energie, Personal und natürlich auch die Produkte sind deutlich teurer geworden. Dazu ist ein rasantes Wachstum bei den Dimensionen gekommen, das die Konsumenten meist überraschend trifft. Beispielsweise wenn der Autofahrer vom gebrauchten Kompaktwagen, nehmen wir einen Golf Kombi mit 15-Zoll-Rädern, auf einen gebrauchten Kompakt-SUV, etwa einen Tiguan mit 17- oder 18-Zoll-Reifen, umgestiegen ist. Mit Größenzuwachs und Teuerung kostet der Winterreifensatz fast doppelt so viel wie vier Jahre davor.
Dazu kommt, dass der Preisunterschied zwischen Premium- und Quality-Modellen auf der einen Seite und Budgetreifen auf der anderen Seite bei größeren Reifen – in absoluten Euro-Beträgen – natürlich wesentlich höher ausfällt. Kunden, die bislang ganz selbstverständlich zum Qualitätsprodukt gegriffen haben, sind nun – aus finanziellen Gründen – verunsichert.
Darüber hinaus hat sich der Aufwand für den gesamten Prozess in den vergangenen Jahren deutlich erhöht: Die Komplexität der Reifen ist ebenso gestiegen wie das Handling mit den größeren Pneus: Das Montieren und Wuchten ist schwieriger geworden, ebenso das Holen- und Bringen vom bzw. ins Depot. Beschädigungen treten bei sehr großen Felgen viel leichter auf und sind folgenschwerer.
Nicht nur, dass die Kosten gestiegen sind und der Kunde sparsamer werden muss, benötigt man für das Reifengeschäft auch noch qualifiziertere Fachkräfte, die es aber immer seltener gibt. Das gilt für den Verkauf, wo die Beratung für das richtige Produkt (oder besser: gegen das falsche) entscheidender ist denn je. Und das gilt auch für die Montage, wo die großen Reifen auf modernen Autos ausgebildete Monteure brauchen, die aber nicht zuletzt aufgrund der belastenden Tätigkeit mit den schweren Rädern immer schwieriger zu finden sind.
Bei allen Problemen: aus der Distanz betrachtet, sind die Zukunftsvorzeichen der Reifenbranche hervorragend. Die Umsätze steigen durch bessere (und größere) Produkte. Die Montage ist ausschließlich regional vor Ort möglich, was überregionale Angebote und Online-Vermarktung relativiert. Die Komplexität in der Montage braucht den Profi und macht Do-it-yourself und Nachbarschaftshilfe immer schwieriger. Und nicht zuletzt entsteht durch die notwendige Einlagerung der schweren Reifen eine extrem hohe Kundenbindung.
Solche Voraussetzungen würden sich viele andere Wirtschaftszweige wohl wünschen. Und dennoch ist es in der Umsetzung extrem schwierig. Ein wichtiger Schlüssel liegt – wie so oft in der aktuellen Zeit – bei den Mitarbeitern.
Wie man dem Kunden die Bedeutung der Reifenqualität (und damit die Sicherheit) näherbringt, beschäftigt die Branche daher zuletzt noch intensiver. So auch im vorliegenden REIFEN & Wirtschaft, wo sich das Thema von der Hauptgeschichte, der Industrie-Umfrage, der VRÖ-Umfrage, einer Argumentationshilfe von Continental bis zum ÖAMTC-Reifentest zieht, der hier eine klare Hilfestellung bringt. Denn während in den vergangenen Jahren immer nur ein oder zwei Billigreifen – quasi als negative Referenz – getestet wurden, hat man diesmal eine Vielzahl dieser Produkte überprüft. Diese spielen zwar im Marktvolumen keine Rolle, zeigen aber dem Konsumenten, dass es ein generelles Qualitätsproblem bei Billigprodukten gibt.