Die europäische Autoindustrie steckt in der Krise. Schlagzeilen werden von Zöllen, Werksschließungen, Gewinnwarnungen und Stellenabbau dominiert. Marken, die einst als Symbole industrieller Stärke galten, stehen heute für strategische Orientierungslosigkeit. Statt sich dem Wandel anzupassen, klammern sich viele Unternehmen an die Vergangenheit.
Sie geben den Elektroautos die Schuld für ihre Probleme. Sie lobbyieren für Verzögerungen, Ausnahmen und verstecken sich hinter Begriffen wie „Technologieoffenheit“, was in Wahrheit oft nur bedeutet: „Bitte zwingt uns noch nicht zur Veränderung.“
Das sind keine Strategien. Das sind Nebelkerzen, um sich an den Verbrenner zu klammern. Kurzfristig mögen sie die Bilanzen schützen – langfristig schaden sie Europas Wettbewerbsfähigkeit.
Das EU-Ziel, ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zuzulassen, war ein Wendepunkt. Es schuf Klarheit für die Industrie, Orientierung für Investoren und Sicherheit für Verbraucher:innen. Wer dieses Ziel jetzt aufweicht, sendet das Gegenteil: Dass Europa von seinen eigenen Versprechen abgebracht werden kann. Das wäre nicht nur schlecht fürs Klima – es wäre ein Rückschlag für Europas Zukunftsfähigkeit.
Denn während Europa diskutiert, legen andere vor. Heute ist in China bereits jedes zweite neu zugelassene Auto ein Elektroauto. Europa kann es sich nicht leisten, noch weiter zurückzufallen.
Die Wahrheit ist unausweichlich: Ein Benziner kann niemals CO₂-neutral sein. Ein Elektroauto schon. Über seine gesamte Lebensdauer verursacht ein mit erneuerbarer Energie betriebener Stromer nur einen Bruchteil der Emissionen eines Verbrenners. Die Technologie existiert. Die Ingenieur:innen existieren. Was fehlt, ist der Mut, entschlossen und im großen Maßstab zu handeln.
Deshalb muss die EU standhaft bleiben. Am 12. September, wenn sich führende Vertreter:innen zum Strategischen Dialog der Automobilindustrie treffen, darf es kein Wanken beim 2035-Ziel geben. Ein Rückschritt würde diejenigen belohnen, die den Wandel blockieren – und jene bestrafen, die in die Zukunft investieren.
Wir stecken mitten in einer Klimakrise. PKW verursachen 15 Prozent der weltweiten Emissionen und verbrauchen ein Viertel des globalen Öls. Der Verbrennungsmotor ist der größte Einzelverursacher – und wir haben bereits eine skalierbare, bewährte Alternative: das Elektroauto.
Dabei geht es nicht nur um Emissionen. Es geht um Wettbewerbsfähigkeit, Souveränität und Arbeitsplätze. Solche Umbruchphasen hat es schon oft gegeben – beim Druck, beim Computer, bei der Robotik und beim Smartphone. Immer gab es Widerstand, bevor ganze Industrien neu gedacht wurden. Die Elektromobilität und softwaredefinierte Fahrzeuge stehen für eine vergleichbare Revolution – mit einem entscheidenden Unterschied: Diesmal geht es nicht nur um Marktanteile. Es geht ums Klima.
Wir bei Polestar sind klein im Vergleich zu anderen – aber wir zeigen, was möglich ist. In vier Jahren haben wir unsere relativen Emissionen um 25 Prozent reduziert und uns die ambitioniertesten Klimaziele der Branche gesetzt. Unser größtes Ziel: ein wirklich klimaneutrales Auto – nicht theoretisch, nicht erst 2050, sondern in den nächsten Jahren. Wenn wir das schaffen können – was hindert dann die Branchengrößen?
Europa hat eine Wahl: Es kann zu seinen Versprechen stehen, das Verbrenner-Aus 2035 verteidigen und die richtigen Rahmenbedingungen für den Erfolg von E-Autos schaffen. Oder es kann zurückrudern, seine Ziele verwässern – und zusehen, wie andere vorbeiziehen. Das Elektroauto ist keine Bedrohung für Europas Autoindustrie. Es ist ihre einzige Chance, zu überleben.
Die entscheidende Frage an diesem World EV Day lautet daher nicht: „Wie lange können wir alles beim Alten lassen?“ Sondern: „Wie schnell können wir etwas Besseres aufbauen?“
Der A&W-Verlag bildet ein breites Meinungsspektrum ab. Kommentare müssen nicht der Meinung des Verlages entsprechen.